Der erste Todestag
Das erste Trauerjahr ist geschafft und damit viele schlimme „erste Tage“. Der erste Hochzeitstag ohne ihn, der erste eigene Geburtstag, das erste Weihnachtsfest …
Alles Tage, die besonders schwer waren, Tage, an denen die Trauer wieder besonders intensiv war.
Bei aller Trauer ist da aber auch vielleicht ein wenig Erleichterung und Hoffnung.
Das erste ach so harte Jahr ist vorbei, man hat viel geschafft, kann stolz auf sich sein und hat sich vielleicht schon so ganz langsam den Weg ins Leben zurück erobert.
Da ist die Hoffnung, dass es von nun an aufwärts geht, der Schmerz weniger wird und immer mehr der lächelnden Erinnerung weicht.
Schmerz, der sich vielleicht so langsam in Wehmut wandelt, wird sicher immer bleiben. Was vor allem aber immer bleiben wird, ist die Liebe und diesen Gedanken kann man sich nicht oft genug bewusst machen.
Wie gestaltet man solche Tage?
Eine Frage, über die man viel grübelt, die vielen schlaflose Nächte bereitet. Aus meiner Erfahrung und den Gesprächen mit anderen Trauernden kann ich aber tröstend sagen, dass die Tage vorher (manchmal auch die Tage danach) und die Angst vor dem Tag schlimmer sind, als der Tag an sich.
Die Einstellung zu diesem Thema, die mir am häufigsten begegnet ist war, wie auch immer man den Tag gestalten will, man braucht einen Plan. Den Tag nicht einfach auf sich zu kommen lassen, sondern sich im Vorfeld Gedanken machen, wie man ihn verbringen möchte.
Einer ebenfalls trauernden Freundin wurde jedoch von einer Trauerbegleiterin eher das Gegenteil geraten: man solle den Tag nicht so hoch kochen, nicht so wichtig nehmen, sich nicht so viele Gedanken machen, sondern einfach auf sich zu kommen lassen.
Also wieder Zeit für meinen Lieblingssatz zu dem Thema: es gibt kein richtig oder falsch, es gibt nur den eigenen ganz persönlichen Weg..
Bleiben wir hier aber bei der Planung.
Meiner Meinung nach gibt es drei Grundvarianten diese besonderen Tage zu verbringen – die natürlich alle miteinander kombinierbar sind.
Es geht dabei nicht nur darum den Tag zu überstehen. Auch ein Tag mit Trauer und voll Tränen kann ein schöner Tag werden, weil dadurch wieder ganz viel Nähe ist und geweinte Tränen neue Kraft geben.
Es geht darum, hierbei seinen ganz persönlichen Weg zu finden.
Ist dann da eine Idee oder sogar ein konkreter Plan, finde ich es auch irgendwie beruhigend, wenn man den Tag dann so etwas klarer vor Augen sieht.
Das Planen ist jedoch alles andere als einfach. Es ist Neuland, es betrifft teilweise nicht nur einen selbst, sondern auch die nahe Familie und manchmal spürt man tatsächlich erst am eigentlichen Tag, was man wirklich braucht. Trotzdem ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich schon zeitig Gedanken zu machen, wen man an dem Tag sehen will, wo man sein will, was man machen möchte und es ist auch völlig legitim, wenn man dieses dann ganz kurzfristig doch ganz anders macht. Vielleicht hat man das ja auch schon gleich bedacht und noch einen Plan B in der Schublade. Es ist aber auch ok, wenn kein Plan entsteht, da nur ein paar Ideen im Raum sind.
Das Ganze ist halt ein theoretischer Gedanke, aber wir sind in Trauer und da ist planen nicht gerade unsere Stärke. So war auch ich teilweise sehr überfordert … Auf meine ersten besonderen Tage gehe ich in einem späteren Beitrag ein. Trotzdem möchte ich euch hier mal drei Varianten vorstellen, die mir zu unterschiedlichen Tagen alle mal durch den Kopf gegangen sind.
Variante 1: Flucht und Ablenkung
Aus den Gesprächen mit anderen Trauernden weiß ich, für viele ist das der Weg, den sie wählen. Wegfahren, möglichst wenig darüber reden, nicht daran rühren, den Tag irgendwie überstehen und das oft gemeinsam mit der Familie. Hierbei viel Aktivität, die keine Zeit für das Grübeln lässt. Tapfer sein gerade auch für die anderen und den Tag so mit möglichst wenig Tränen überstehen – die dann aber wahrscheinlich kommen, wenn man alleine im Bett liegt.
Variante 2: Rückzug
Man kann sich an dem Tag auch von allem und jedem zurückziehen, den Tag einfach nur mit Trauern und Weinen und mit Erinnern verbringen. Sich bewusst für das Alleinsein entscheiden und sich der/dem Verstorbenen auf diese Weise nochmal wieder besonders nahe fühlen. Vielleicht für manche auch der richtige Weg, aber gerade dann sollte man einen Notfallplan haben, auf den ich später noch eingehe.
Variante 3: Erinnerungstag
Hierbei plant man bewusst die Trauer mit ein, überlegt sich was hätte die/der Verstorbene an dem Tag gemacht, wie hat man diesen gestaltet als sie/er noch lebte. Man schwelgt in Erinnerungen und darf dabei weinen und lachen. Vielleicht schafft man sich hierbei sogar ein Ritual für diese besonderen Tage.
Ein Ritual, das die meisten sicher hierbei haben, ist wohl der Besuch am Grab bzw. an der Ruhestätte, aber auch das ist kein Muss. Manche können das gerade an solchen Tagen nicht und auch das ist vollkommen in Ordnung.
Der Notfallplan
Wie auch immer man den Tag plant, man sollte einen Notfallplan in der Tasche haben. Gerade Gefühle sind nicht planbar und das trifft natürlich extrem auf die Trauer zu. Bei dem Notfallplan geht es darum, dass man sich im Vorfeld überlegt, was zu tun ist, wenn einen die Trauer so übermannt, dass man es kaum noch aushält.
Daher ist es gut im Vorfeld zu überlegen:
- wen kann ich dann anrufen
- wen will ich dann sehen
- wo möchte ich dann sein
- was kann mir in dieser Situation helfen (Musik, essen, Bewegung …)
Der Notfallkontakt kann sich in der Familie finden, im Freundeskreis oder besonders hilfreich andere Trauernde, da diese am Besten nachempfinden können, wie es einem gerade geht. Hat man Kontakt zu professionellen Trauerbegleiter/innen sind auch diese eine sehr gute Option.
Die zweiten Tage
Soweit bin ich noch nicht, aber ich weiß von einer Freundin, dass das zweite Weihnachten für sie viel schwerer und trauriger war als das Erste. Beim Ersten saß der Schock noch zu tief, so dass sie erst beim Zweiten so richtig begriffen hat, dass sie Weihnachten von nun an alleine sein wird oder zumindest ohne ihren Mann.
Diese besonderen Tage werden auch Jahre später noch anders sein. Es ist da immer der Mensch, der so sehr fehlt. So gilt es jedes Mal aufs Neue eine Mischung aus Erinnern, Trauer und Weiterleben zu finden.
Diese wird sicher jedes Jahr anders und ganz sicher irgendwann leichter. Schön, wenn man dann ein sich immer wiederholendes kleines Ritual hat, wie eine Rose, die man aufstellt, eine Kerze, die man anzündet …
Wie kann man helfen
Vielleicht fragt ihr euch auch gerade, wie ihr Trauernden an solchen Tagen helfen könnt.
Mir hat der scheinbar so banale, aber ehrlich gemeinte Satz: „Ich bin in Gedanken bei dir“, unglaublich gut getan oder das wortlose Umarmungs-Smiley, das mich am Tag erreicht hat. Dieses Wissen, da sind Menschen, die fühlen mit mir, nehmen mich in Gedanken in den Arm, gibt Kraft und macht Mut.