Auch das BarCamp Bonn fiel der Corona-Krise ganz knapp zum Opfer, es hätte am 14. März statt finden sollen und wurde freiwillig abgesagt, um die Gesundheit aller Beteiligten zu schützen. Ich fand die Entscheidung richtig, aber natürlich auch schade. Eine Alternative sind derzeit virtuelle Veranstaltungen. Am 29. Mai fand die Barcamp Night statt, ein Zusammenschluss verschiedener BarCamps. Eine schöne Idee, die lokalen Communities untereinander mehr zu vernetzen. Die BarcampNight war tatsächlich mein zweites virtuelles Barcamp, über Cowork2020 habe ich zwar viel getwittert, aber versäumt zu berichten 🙁
BarCamp von zu Hause
Es war gemütlich aus dem eigenen Wohnzimmer ein Event mit ca 150 Leuten zu erleben. Als Plattform wurde Circuit genutzt, für Teilnehmende kostenfrei nutzbar. Die Veranstalter haben mehrere Räume eröffnet, zwischen denen wir wechseln konnten. Chatfunktion, Ton und Video waren die Optionen. Für das leibliche Wohl sorgte jeder für sich, was sicher Vor- und Nachteile zugleich hat. Fies wurde es, als immer mehr mit einer Pizza vor der Kamera saßen, worunter andere litten …
Und was nicht vergessen werden darf:
Es gab tatsächlich auch eine moderierte Vorstellungsrunde, Name aufrufen – Mirco an, 3 Hashtags + Twitter-Profil – nächster Name.
#Eventtwittern #Storytelling #Blogger; auf Twitter @kleiner-komet_
Die Session-Planung haben wir tatsächlich auch live gemacht. Vorschläge sollten vorher eingereicht werden. Auf Aufruf folgte live dann ein kurzer Pitch und ab ins Session-Board, das über Trello organisiert wurde und für alle einsehbar war. Am Ende gab es noch die Möglichkeit für spontane Session-Ideen.
Übersicht der Sessions
Die Qual der Wahl ist immer ein Thema bei Barcamps und so musste ich mich auch diesmal für vier Sessions entscheiden von denen ich euch im Folgenden berichten kann. Ein kleines Inhaltsverzeichnis, damit ihr leichter springen könnt, falls euch nicht alles interessiert:
- Selbst- und Zeitmanagement mit John Caffier
- Entscheidungen / Decision Poker mit Frank Wulfes
- eLearning mit Sarah und Judith
- Werde Freelancer mit Christopher
Am Ende findet ihr noch mein Fazit zur virtuellen BarcampNight und Links zu weiteren Beiträgen
Selbst- und Zeitmanagement mit John Caffier
Die erste Session war ein Heimspiel, wenn schon nicht im heimatlichen Bonn, so thematisch in der Psychologie. John Caffier hat einen Vortrag von der Uni recycelt, den er bereits fachfremd gehalten hatte.
Inspiriert von meinem Working Out Loud Circle befasse ich mich gerade auch ein wenig mit Zeitmanagement. Der Witz: John hat mir nichts Neues erzählt, aber mein Wissen wieder aktiviert und das war gut. Allerdings hat er auch einen starken Ritt durch seine Folien hingelegt.
Wie kann ich mit Implementation Intentions (Gollwitzer & Sheeran, 2006) meinen Alltag effektiver gestalten? Was besagt das Modell zur Entstehung von Stress oder Bewältigung nach Lazarus (1974)? Wie verhindere ich die Falle des Planning-Fallacy-Phänomens (Kahneman & Tversky, 1979)?
Session Beschreibung im Trello Board
Verschiedene Studien belegen die Sinnhaftigkeit von Selbstmangement, einige Namen stehen in der zitierten Session-Beschreibung. In meinen Thread auf Twitter zur Session habe ich einige Bilder der Folien mit drin.
Ob wir in einer Situation Stress erleben, hängt davon ab, wie wir diese wahrnehmen und bewerten. Im Folgenden liste ich verschiedene Techniken und Hinweise aus der Session auf. Es sind gut bekannte Techniken, über die du sicher schnell mehr findest, wenn sie dich interessieren.
Beobachte dich selbst
Ein guter Rat, um ins eigene Zeitmanagement einzusteigen ist, sich selbst zu beobachten. Was machst du den ganzen Tag über alles. Auf Basis der Beobachtungen kannst du einen „Soll-Tag“ entwickeln.
SMARTe Ziele
Wenn du dir selbst Ziele setzt, sollten sie SMART sein:
- Spezifisch (konkret formulieren und schriftlich fixieren)
- Messbar (lege qualitative und quantitative Messgrößen fest)
- Attraktiv (herausfordernd + anspruchsvoll + relevant)
- Realistisch (innerhalb der Zeit mit vorhandenen Ressourcen umsetzbar)
- Terminiert (Zeitlich bindend geplant, Teilschritte festlegen)
In Anlehnung an Locke et al 1981.
Achte auf deine Leistungskurve
Die Leistungskurve schwankt im Tagesverlauf und das ganz individuell. Beobachte dich selbst und passe deinen Zeitplan so gut es geht an deine Leistungskurve an. Wann ist dein bester Zeitpunkt für anspruchsvolle Aufgaben und wohin legst du dir leichtere Aufgaben, weil du dann weniger fit bist?
ABC-Analyse deiner Aufgaben
Sortiere deine Aufgaben in drei Gruppen, je nachdem, welchen Wert und Aufwand sie für dich haben:
- A: Hoher Wert + niedriger Zeitaufwand
- B: mittlerer Wert + Zeitaufwand
- C: niedriger Wert + hoher Zeitaufwand
C- Aufgaben am besten gar nicht erledigen und sich auf A und B konzentrieren. Dabei darauf achten, dass die B-Aufgaben nicht immer wieder hinter den schnell zu erledigenden wichtigen A-Aufgaben zurück gestellt werden.
Eisenhower-Prinzip
Clustere deine Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. Daraus ergeben sich Prioritäten und genau wie in der ABC-Analyse Aufgaben, die wegfallen, nämlich die, die weder wichtig, noch dringlich sind.
- Aufgaben 1. Priorität: Wichtig + dringlich -> sofort erledigen
- Aufgaben 2. Priorität: wichtig + weniger dringlich -> planen und rechtzeitig terminieren
- Aufgaben 3. Priorität: wenig wichtig + dringlich -> Anzahl reduzieren/ Aufgaben abgeben
Setze einen positiven Fokus
Bleibe im Engelskreis, anstatt in einen Teufelskreis zu geraten.
Wenn du dich auf deine Stärken, Chancen, Lösungen, Hoffnungen und Stoz fokussierst führt das zu Optimismus und Motivation.
Frage dich, welche Ressourcen du hast.
- Welche Stärken hast du?
- Welche Möglichkeiten hast du?
- Was hast du bisher erreicht?
- Auf welche Unterstützer kannst du zurückgreifen?
Kannst du etwas verändern?
Ja –> Dann plane die Veränderung und setze sie um
Nein –> Love it, leave it or challenge it
Aufgaben, die du nicht ändern kannst, kannst du sein lassen, dich durchbeißen oder dir dabei Hilfe holen.
Dweck, 1991; Frey et al., 2006
Belohne dich selbst
In stressigen oder schwierigen Lebensphasen ist das besonders wichtig, auch wenn gerade dann keine Zeit dafür zu sein scheint. Es dient aber eben auch dazu, dich zu motivieren und dir dabei zu helfen mit Stress umzugehen.
Plane bewusst Zeit für dich ein, auch Zeit für körperliche Bewegung.
Als Empfehlung aus der Runde kam hier noch Meditation und der Hinweis auf Achtsamkeit.
Und zum Schluss
Trag dein Zeitmanagement auch in deinen Kalender ein und beachte das Pareto-Prinzip: 80% der Aufgabe werden in 20% der Zeit erledigt, die restlichen 20% sind das Feintuning, die 80% der Zeit beanspruchen. Mache dies wirklich erst am Schluss, um hier gegebenenfalls auch was wegzulassen – Perfektionismus lässt grüßen.
Decision Poker mit Frank Wulfes
Entscheidungen treffen ist nicht leicht, schon gar nicht, wenn sie im Team getroffen werden müssen. Wenn die Gruppe sich vorher zumindest darauf einigt mit welcher Methode die Entscheidung getroffen werden soll, gibt das dem Prozess ein wenig Struktur und hilft unnötige Diskussionen zu vermeiden.
Die Arbeitswelt wandelt sich, Systeme arbeiten zunehmend selbstorganisierter. Es wird eine immer spannendere und relevantere Frage, wer die Entscheidungen trifft. Auf diese Frage folgt die Frage, wie man Entscheidungen trifft. Welche Möglichkeiten habe ich zu entscheiden? Die zentrale Frage ist, WIE soll entschieden werden, wenn die höhere Macht einer höchsten Autorität zunehmend wegfällt.
Frank (Twitterprofil) ist Organisationsentwickler und hat sich mit der Systemtheorie befasst. Auf dieser aufbauend hat er die Desicion-Poker Karten entwickelt. Jede der sieben Karten steht für eine Entscheidungsmethode. Das „Spiel“ ist relativ simpel:
Nachdem das Thema, zu dem eine Entscheidung getroffen werden soll, allen Beteiligten vorgestellt wurde, wird mit diesen Karten abgestimmt. Jede Person hat ein Kartenset, überlegt welches der beste Weg für die aktuelle Situation ist und votet dafür mit der passenden Karte.
Die Diskussion soll sich dabei nicht auf die Metaebene verlagern, welche Methode die beste sei. Das Kartenset soll dahingehend unterstützen, ewige Diskussion durch einen pragmatischen Prozess zu ersetzen.
Die Idealgröße für selbstorganisierte Teams sind 4 -8 Personen, da funktionieren die Karten gut. Wichtig ist es, in den Dialog zu kommen. Das kann auch mit weniger Personen oder auch mit Schulklassen funktionieren.
Die Karten stehen kostenfrei zum Download zur Verfügung, sie können auch mit digitalen Tools, wie z.B. Mentimeter oder Miro, genutzt werden. Eine englische Version ist bereits in Planung.
Ausführliche Informationen zu Decison Poker und den Download-Link zu den Karten findet ihr auf der Webseite von Kurswechsel.
eLearning mit Sara Egenhofer und Julia Radtke
Um sich weiter zu bilden gibt es viele tolle Möglichkeiten. Der eLearning Bereich hat durch die Corona-Krise noch einmal besondere Aufmerksamkeit bekommen, so auch in der Session von Sara und Judith von DigistartPro (Twitterprofil), die mit uns in den Austausch über verschiedene Angebote und Erfolgsfaktoren gingen.
Begriffsklärung zu Beginn der Session. Digitales Lernen bezieht sich auf den Einsatz digitaler Medien zum Lernen und Lehren ohne dabei zwingend online zu sein. Digitales Lernen ist unglaublich vielfältig.
Ein paar Anregungen aus der Session
- Udemy – eine freie Plattform, auf der jede/r Kurse anbieten kann, oft guter und günstiger Einstieg in Themen
- Podcasts – gehen gut nebenbei, auch unterwegs
- YouTube
- Webinare
Eine Empfehlung zum Stichwort Lernvideos: Vorträge in die Kamera einsprechen ist keine gute Idee, ist ermüdend für die Zuhörenden. Optimaler sind Erklärvideos, aktiv etwas einzeichnen, Interviews, Laborbesuche, etc. Kreativität und guter Schnitt sind Erfolgsfaktoren für Videos. Optimal sind kleine Nuggets von maximal 3 Minuten
Es braucht gutes Storytelling und Interaktionen, um die Lernenden zu motivieren, dabei zu bleiben, ihnen das Lernen zu erleichtern und erfolgreich mit den eigenen Lernangeboten zu sein. Ein weiterer Faktor, der gerade im digitalen Lernen gut berücksichtigt werden kann, sind individuelle Lernwege. Ein multimediales Angebot kommt den unterschiedlichen Lerntypen entgegen, insbesondere wenn ich als Lernende wählen kann, ob ich ein Video sehe, ein Audio höre oder einen Text lese.
Das Ergebnis des Brainstorming aus der Session findet ihr in diesem Google-Doc.
Inspiration für Freelancer mit Christopher Schmidhofer
Eine Session mit dem Titel „Warum du Freelancer werden solltest“ ist durchaus einladend, wenn du dich mit dem Thema Selbstständigkeit befasst, vor allem zu einem wirtschaftlich brisanten Zeitpunkt. Ob die Session motivierend war? Das war zumindest die Intention von Christopher (Twitterprofil). Es wurde auf jeden Fall heiß diskutiert.
Die Session startete mit einer gewagten Hypothese von Wolfgang Kraus (Twitterprofil):
Freelancer sind Söldner und Opportunisten. Sie machen Dinge gegen Geld.
Wie steht es um die Werte von Freelancern? Weichen sie von diesen ab, wenn es um Geld geht? Setzen sie klare Grenzen? Eine Gegenthese von Volker Göbbels (Twitterprofil) bezieht sich auf den Vorwurf, den er sich oft anhören musste, nämlich, dass er sich zu sehr mit seinem Unternehmen identifiziere.
Deutlich bringt Kia Kahawa (Twitterprofil) auf den Punkt, wo ihre persönliche Grenze ist:
Ich kann Mülleimer, aber keine Autos.
Den Text über Mülleimer schrieb sie mit Leidenschaft, der über Autos hätte ihr Geld eingebracht, aber sie konnte ihn nicht schreiben.
Wie selbstbestimmt sind Freelancer denn nun wirklich? Geld ist immer ein Faktor, insbesondere wenn es mal knapp wird. Ist es also sicherer angestellt zu sein? Das Einkommen fließt zunächst einmal wie vereinbart, allerdings gibt es auch Kündigungsfristen, die diese finanzielle Sicherheit recht schnell beenden können.
Muss man als Arbeitnehmender IMMER tun, was Chefs sagen? Ein Teilnehmer erzählte, dass er schon einen Job verloren hatte, weil er eben nicht gemacht hat, was der Chef gesagt hat.
Beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile. Scheinselbstständigkeit ist eine Falle, die Selbstständige bedenken müssen. Arbeitest du nur für einen einzigen Kunden? Kannst du Zeit, Ort und Art deiner Arbeit selbst bestimmen oder bist du weisungsgebunden?
Eine weitere Spannende These aus der Session, der gleich eine Gegenthese folgte:
Wenn du jung bist, gibt Gas als Freelancer.
Es geht hierbei vor allem, um finanzielle Ungebundenheit und ein geringes Risiko, weil zum Beispiel noch keine Kinder versorgt werden müssen. Allerdings kann es auch ganz anders aussehen, eine Teilnehmerin wurde nämlich als Mama Freelancerin, weil niemand sie mit einem kleinen Kind einstellen wollte.
Ein schönes abschließendes Fazit aus meinem Thread: Trau dich!
Mein Fazit zu BarcampNight
Ich hatte eine Menge Spaß und habe viele neue Leute kennen gelernt, wenn auch nur virtuell. Schön war es, einige vom #Cowork2020 wieder zu treffen.
Twittern war echt gemütlich, der persönliche Kontakt etwas schwieriger, da es zumindest mir schwer fiel in den Diskussionen zu Wort zu kommen. Schön war, dass es sehr lebendige Diskussionen gab. Mein Ausweg ist dann zu twittern oder mal was in den Chat zu schreiben. Hierzu ergab sich eine interessante Diskussion auf Twitter. In der gemütlichen After-Runde konnte ich mich auch zu Wort melden und hatte noch einmal sehr viel Spaß – ohne diesen auf Twitter zu dokumentieren.
Die allgemeine Begeisterung schien groß und auch im Anschluss gab es zahlreiche Tweets und Gespräche. So sehr ich persönliche BarCamps liebe, würde ich mich freuen, wenn es zusätzlich auch weiterhin virtuelle Angebote gäbe, denn die Möglichkeit sich mit Menschen quer durch Deutschland bis hin nach Mallorca oder wo alle so remote stecken auszutauschen ohne Reisekosten zu haben, ist großartig!
Mehr zur BarCampNight
Unter #BcNightDe findet ihr einige Tweets und hier eine gemeinsame Doku. Klickt euch einfach mal durch die Räume und nehmt ein paar inspirierende Gedanken mit, geht auch mit geringem Zeitaufwand.
Weitere Beiträge
Dieser Beitrag gibt nur EINEN kleinen Einblick in das wundervolle Event und da die oberste BarCamp Regal nach wie vor lautet über das BarCamp spricht man, gibt es auch weitere Beiträge und es folgen sicher auch noch welche:
Eine Übersicht sammelt Denny hier auf netzandwork.
Herrlich, da ich als Mitveranstalter kaum an einer Session teilnehmen konnte, ist dein Beitrag eine sehr gute Entschädigung. Bessere Zusammenfassung über die Inhalte von dir besuchten Sessions, habe ich bisher nicht gelesen, es ist so als wenn ich selbst dabei war. Dein Bericht über Zeitmanagement ist so gut, das man sich teure Bücher sparen kann. Danke dir für das Teilen Kleiner Komet!
Vielen herzlichen Dank für dein Feedback. Es freut mich riesig, wenn es mir gelungen ist, dich mit in die Sessions zu nehmen, denn genau das ist mein Ziel mit meinen Barcamp-Nachberichten, neben dem egoistischen Anteil, selbst noch einmal zu reflektieren, was wir besprochen haben.