Heute gibt es wieder eine schöne, aber auch traurige Weihnachtsbuchempfehlung.

Hintergrund

Die Geschichte spielt im 19. Jahrhundert.

Es wird nicht genauer definiert um welches Weihnachtsfest es sich handelt, aber es muss eines aus den 63 Regierungsjahren von Königin Victoria sein. Eine interessante Zusammenfassung über die britische Königin habe ich bei der Zeit gefunden.

Wir befinden uns nach dem Jahr 1845, als der Kartoffelpilz die irische Ernte vernichtete und die große Hungersnot begann. Auch in den folgenden vier Jahren kam es zu Missernten durch den besagten Pilz. Die beiden Kinder Anna und Benjamin sind nämlich vor der großen Hungersnot nach England geflohen.

Literarisch tritt Raymond A. Scofield, der eigentlich Gert Anhalt heißt und unter diesem Namen als Reporter für den ZDF arbeitet, in die Fußstapfen großer Autoren aus dem viktorianischen Zeitalter über das er schreibt:

Einige der bekanntesten viktorianischen Autoren sind Charles Dickens, George Eliot, William Makepeace Thackeray, Anthony Trollope, Elizabeth Gaskell, Thomas Hardy und die Schwestern Bronte.

Eine traurige Weihnachtsgeschichte

Das Weihnachtswunder von Old Nichol - Raymond A. Scofield - Bild: Aufbau Verlag

Das Weihnachtswunder von Old Nichol – Raymond A. Scofield – Bild: Aufbau Verlag

Anna und Benjamin ist die Flucht von Irland nach London gelungen. Dort haben sie ihre Tante gefunden, die im Keller eines Apothekers im Armenviertel Old Nichol lebt, doch leider stirbt diese Tante und die Kinder sind auf sich allein gestellt. Sie besitzen fast gar nichts, nur die Kleider, die sie am Leibe tragen, in Annas Fall eine alte Hose ihres Bruders. Die Kleider sind viel zu dünn für den englischen Winter.

Sie haben einen großen Traum:

Das ferne Land, wo immer die Sonne schien und niemand frieren oder hungern musste – davon hatten die beiden gerüchteweise gehört. Die Menschen sagten Queensland oder New South Wales dazu, und manche nannten es auch Australien. Egal wie es nun hieß – eines stand jedenfalls fest: Dies war der Ort, wo alle ihre Träume wahr werden konnten. Da wollten sie hin, koste es, was es wolle.

Doch die beiden sind tapfer und versuchen gemeinsam zu überleben. Anna putzt im Spielzeugladen und Benjamin möchte sein Glück als Schuhputzer verdienen.

Mit spitzen Fingern öffnete er den Deckel des abgewetzten Holzkastens, als handele es sich um eine Schatztruhe. Darin befanden sich aber kein Gold, keine Perlen und keine Edelsteine, sondern nur ein Fußbänkchen, eine halbleere Tube Schuhschwärze, eine ziemlich abgenutzte Bürste und ein Putztuch, das aussah, als hätte jemand versucht, damit die Straße zwischen Old Nichol und Whitechapel sauber zu wischen. Und doch war für ihn diese morsche Kiste wie das Versprechen auf ein besseres Leben.

Die beiden irischen Kinder sind mit ihren roten Haaren in London nicht gerne gesehen.

Nur etwa 10% der Iren haben rote Haare, in Schottland sind es mit 14% deutlich mehr, trotzdem gelten die Iren als Rotschöpfe. Diese und weitere spannende Informationen über die Genetik von Rothaarigen habe ich in einem Artikel auf Welt.de gelesen.

Annas Chefin gibt dem kleinen Mädchen die Schuld an ihrem eigenen Unglück. Benjamin muss feststellen, dass es in London eine Schuhputzgilde gibt und er alleine keine Chance als Putzer hat. Wovon sollen die beiden Kinder leben? Kann der Apotheker helfen oder meint er es gar nicht gut mit den Beiden?

Das Weihnachtswunder

Zum Glück ist es eine Geschichte und in einer Geschichte sind Wunder möglich. Ein Wunder brauchen die beiden auch dringend und um die Magie des Glücks geht es auch in der zweiten Hälfte der Geschichte. Ein kleiner Leprechaun mit vornehmer Abstammung und lustiger Sprache bekommt seinen Auftritt. Die Tante der Kinder hatte ihn gebeten auf die beiden Acht zu geben, doch das war keine leichte Aufgabe.

„Welchigen nicht etwa anfassen und ihn nicht nach Geld oder Gold fragen. Welchiger verleiht grundsätzlich Nichtsiges, und Schenken kommt schon mal gar nichtig in Frage.“

„Wer ist Welchigen?“

„Nämlicher.“

„Und wer ist das?“

„Welchiger. Sagte Nämlicher doch bereits mehrmalsig. Du musst lernen, besser zuzuhören.“

Was ist eigentlich Glück? Kann es durch eine magische Substanz herbei geführt werden? Falls ja, mit welchen Konsequenzen?

Fazit

Eine traurige und magisch schöne Weihnachtsgeschichte, mit einem Hauch von Philosophie.

Die Geschichte beschreibt anschaulich das Leben der Armen in dieser Zeit, wie wenig wert ein Menschenleben ohne Geld und Titel war.

Wie ergeht es den heutigen Flüchtlingen, die zu uns nach Deutschland kommen. Auch unter ihnen sind Kinder, die ohne erwachsene Begleitung hier an kommen. Ergeht es ihnen besser als Anna und Benjamin?

Auch im 19 Jahrhundert gab es Waisenhäuser und die Besserungsanstalt, die ebenfalls eine Rolle im Buch spielt. Die Zustände in den heutigen Kinderheimen haben sich in den letzten 100 Jahren zum Glück verbessert. Aber hat es die Situation auch für Flüchtlingswaisen?


Das Buch wurde mir freundlicherweise vom Aufbau-Verlag zur Verfügung gestellt.
Raymond A. Scofield
Das Weihnachtswunder von Old Nichol
240 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-352-00889-4