Auch aus der Kategorie Erotik wollte ich gerne einen Klassiker lesen. Das erste gewählte Buch mochte ich euch jedoch nicht vorstellen und bei meiner weiteren Recherche bin ich dann auf „Lady Chatterley“ gestossen. Der Roman ist 1928 erschienen und spielt auch in dieser Zeit. Es ist übrigens der einzige Klassiker, den ich als eBook gelesen habe.
„Lady Chatterley und ihr Liebhaber“ ist ein Klassiker der erotischen Literatur und menschlichen Psychologie, und enthält zeitlose Wahrheiten über das Zusammensein von Mann und Frau. Und gleichzeitig ist es ein Skandalbuch erster Güte, das viele Jahre lang in den meisten Ländern Europas auf dem „Index“ stand und nur versteckt gehandelt werden konnte.
Aus dem Klappentext zu Lady Chatterly
Dementsprechend war ich sehr gespannt was mich erwarten würde.
Wir lernen zunächst die spätere Lady Chatterley kennen. Constance (Connie) war „ein rotwangiges, ländlich aussehendes junges Mädchen mit weichem braunem Haar, kräftigem Körper und bedächtigen Bewegungen, und sie war voll ungewöhnlicher Energie.“ Mit 15 Jahren wurde sie mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester nach Dresden, der Musik wegen geschickt und lebte dort ein freies Leben mit den Studenten. Noch ehe sie 18 war hatte sie ihre ersten Liebesaffären hinter sich und es ist sehr unterhaltend zu lesen, warum dieses geschah.
Cliffords Vater wollte, dass dieser heiratete und einen Erben zeugte. Clifford selber, dem zu viel Tod und Gräuel im Krieg begegnet war, kam zu der Ansicht:
Ein Mann brauchte Trost und Stütze. Ein Mann musste einen Anker in seiner Welt haben. Ein Mann brauchte eine Frau.
Lady Chatterly
So heiratete er im Jahr 1917 im Alter von 19 Jahren noch unberührt die 23-jährige Connie, als er für einen Monat auf Heimaturlaub ist. Sie stehen einander nahe und erleben eine Intimität jenseits des Geschlechtlichen. Sechs Monate später wird er „wieder nach England verfrachtet, mehr oder weniger in Stücken.“
Er ist zäh und so überlebt er. Nach zwei Jahren wird er als geheilt aus der Obhut der Ärzte entlassen, allerdings ist seine untere Körperhälfte von der Hüfte abwärts für immer gelähmt. Nach dem Tod seines Vaters ziehen die beiden nach Wragby Hall, dem einsam liegenden Familienbesitz mit nur wenig Einkommen. Er konnte in seinem Rollstuhl mit kleinem Motor umherfahren und litt nicht wirklich, sondern „wirkte seltsam heiter und fröhlich, ja beinahe vergnügt“. Sie aber muss sich an die Einsamkeit dort gewöhnen. Sie versorgt ihren Mann zunächst ohne Hilfe und unterstützt ihn bei seinem Schreiben, aber bald empfindet sie Leere über Leere. Ihr Vater rät ihr sich einen Freund zu nehmen und bald darauf hat sie ihren ersten Liebhaber.
So trieben sie es eine Weile, wechselten Briefe und trafen einander gelegentlich in London. Sie wollte noch immer die physische, sexuelle Sensation haben, die sie mit ihm durch eigene Kraft erlangen konnte, sobald sein kleiner Orgasmus vorbei war. Und er wollte ihr die noch immer geben. Das genügte, sie in Verbindung zu halten.
Lady Chatterly
Durch ihre neu erweckte Lebenslust gelang es ihr ihren Mann im Schreiben anzuregen, so dass er in jener Zeit seine besten Sachen schrieb und somit von dem Verhältnis profitierte. Als ihr Liebhaber sie aber heiraten und ihr die Welt zu Füssen legen will, lehnt sie ab. Sie kann und will ihren Mann nicht verlassen.
Clifford bedauert, dass er keinen Sohn haben kann und somit sein Erbe nicht weitergeben kann und schlägt ihr vor, sich ein Kind von einem anderen Mann zeugen zu lassen.
„Es wäre beinahe gut, wenn du ein Kind von einem anderen Mann hättest“, sagte er. „Wenn wir es in Wragby aufzögen, wäre es Teil von uns und unserem Besitz.“ Sie denkt darüber nach, kann aber keinen Mann in ihrem Umfeld sehen, den sie sich als Erzeuger dieses Kindes vorstellen kann, als Liebhaber schon…
Nach und nach entwickelt sie jedoch eine Abneigung gegen ihren Mann und überlässt seine Pflege und Betreuung Ivy Bolton, einer jungen Witwe, die zu ihrem Mann eine ganz besondere Beziehung entwickelt, die wunderbar beschrieben wird:
Sie war bis zu einer unheimlichen Leidenschaft begeistert. Und der Umstand, dass er sie erzog, erweckte in ihr eine leidenschaftliche Erregung und Erwiderung – viel tiefer, als jede Liebesaffäre es vermocht hätte.
Lady Chatterly
Und Conni trifft den Mann, dem sie sich auf besondere Art und Weise verbunden fühlt … Mehr will ich hier nicht verraten.
Doch das Buch beinhaltet viel mehr:
Was es ausmacht, sind wunderschöne Beschreibungen der Natur, spannende Gedanken über das Leben, die unterschiedlichen Klassen der Gesellschaft der damaligen Zeit, den Bergbau und insbesondere über die Beziehungen zwischen Mann und Frau. Hier ist es besonders erstaunlich und spannend wie es dem Autor als Mann gelingt, sich in die Gedankenwelt einer Frau hineinzuversetzen.
Mein persönlicher Eindruck
Zunächst bin ich überrascht, da es recht harmlos beginnt und ich mich frage: Warum wurde dieses Buch verboten? Aber bald verstehe ich warum …
Das Buch ist schon sehr speziell, aber ja, es liest sich gut. Es ist spannend und das Ende auch nicht unbedingt vorhersehbar. Die Spielerei mit den Worten – herrlich, das hin und her der Gefühle – wunderbar beschrieben. Und was den erotischen Inhalt angeht, so ist dieser zunächst recht geschickt verpackt, wird dann aber doch deutlicher.
Das Ende finde ich allerdings einfach nur noch abstoßend. Das Buch endet mit einem Brief in dem gefühlte 100 mal das Wort „ficken“ vorkommt. Das verdirbt mir den positiven Eindruck leider doch sehr, ist für mich auch nicht passend. Dennoch eine klare Leseempfehlung von mir.