Da mich das Thema Sterbebegleitung seit einigen Jahren intensiv beschäftigt, war für mich schnell klar, dass ich für die Kategorie Sachbuch ein Buch aus diesem Bereich wählen würde. Zufällig ist mir nun dieses Buch in die Hand gefallen.
Über den Tod und das Leben danach
Dieses Buch wurde nicht von Elisabeth Kübler-Ross persönlich geschrieben, sondern vom Verlag Silberschnur aus drei ihrer Vorträge zusammengestellt. Es basiert auf wissenschaftlichen Arbeiten über das Sterben und will uns nicht nur die Ergebnisse mitteilen sondern diese auch beweisen.
Der Tod ist ein Hinübergehen in einen neuen Bewußtseinszustand, in welchem man fortfährt, zu fühlen, zu sehen, zu hören, zu verstehen, zu lachen und wo man befähigt ist, weiterhin zu wachsen. Und das einzige, was wir bei dieser Umwandlung verlieren, ist nämlich das, was wir nicht mehr brauchen, und das ist unser physischer Körper.
Im ersten Vortrag „Leben und Sterben“ erklärt Kübler-Ross uns das Sterben in drei Stufen und vergleicht das Sterben mit dem Abstreifen des Kokons beim Schmetterling. Die erste Stufe ist das Verlassen des Körpers. Auf der zweiten Stufe wird der Verstorbene von psychischer Energie getragen und nimmt alles wahr, was passiert ist, sieht seinen leblosen Körper, das Krankenzimmer, die Unfallstelle und was für die Zurückbleibenden ganz wichtig ist: hört noch, was gesprochen wird. In diesem Zustand ist der Verstorbene wieder ganz: Blinde können wieder sehen, Gelähmte sich wieder bewegen. Und hier wird der Verstorbene erwartet von der Person, die er am meisten liebgehabt hat. Und dann kommt die dritte Stufe, der Übergang an dessen Ende ein Licht entgegen strahlt, das den Verstorbenen in bedingungslose Liebe hüllt.
Für Elisabeth Kübler-Ross sind das Tatsachen, die sie für erwiesen hält, aber sie lässt uns die Wahl:
Zweitausend Jahre lang hatte man Sie dazu ersucht, an die jenseitigen Dinge zu glauben. Für mich ist es nicht mehr eine Sache des Glaubens, sondern eine Sache des Wissens. Und ich sage Ihnen gern, wie man zu diesem Wissen gelangt, vorausgesetzt, Sie wollen wissen.
Meine Meinung zum Buch
Hm ja, sie versucht uns zu überzeugen mit Beweisen und geht wissenschaftlich vor, aber wissenschaftlich geschrieben ist es nicht. Dennoch sind da die Geschichten, die überzeugen: Da sind die Blinden, die nach ihren todesnahen Erlebnissen wussten, wer die Wiederbelebung durchgeführt hatte und mit aller Genauigkeit das Aussehen und die Kleidungsstücke aller Anwesenden beschreiben konnten.
Da ist die Geschichte einer Zwölfjährigen.
So vertraute sie ihrem Vater an, daß sie, als sie „starb“, solch wunderbare Erlebnisse gehabt habe, so daß sie keinen Wunsch verspürte, zurückzukommen.
Sie wurde mit Liebe und Zärtlichkeit von ihrem Bruder empfangen, von dessen Existenz sie bis dahin keine Ahnung hatte. Erst als sie das ihrem Vater erzählt, erklärt er ihr, dass sie tatsächlich einen Bruder hatte, der allerdings drei Monate vor ihrer Geburt verstorben war.
Aber egal, ob man von den Beweisen überzeugt ist oder zweifelt, egal welchen Glauben man hat, ich finde den Gedanken auf jeden Fall schön, dass man „drüben“ keine Schmerzen mehr hat, wieder „ganz“ ist, dass keiner alleine stirbt, sondern jeder erwartet wird und letztendlich von bedingungsloser Liebe umfangen wird. Schön, auch der Gedanke, das der Verstorbene einen noch hört, so dass man dem Toten noch sagen kann, was man noch auf dem Herzen hat – was die meisten ja auch intuitiv tun.
Den Ton des Buches finde ich allerdings arg schwülstig – bin ich von anderen Büchern von ihr auch so nicht gewohnt. Etwas gruselig am Ende das Experiment bei dem sie selber „stirbt“ um eine Nah-Tod-Erfahrung zu machen.
Ein Buch für jeden? Jein. Sicher tröstlich für jeden, der jemand Nahestehenden verloren hat oder grad begleitet. Hier hilft schon das Zitat:
Sterben ist nur ein Umziehen in ein schöneres Haus.
Vielleicht ein Einstiegsbuch für alle, die sich mit dem Thema erstmalig beschäftigen wollen, da es sich leicht liest und es auch relativ dünn ist. Als Gedankenanregung und auch, wenn bei vielen in manchen Punkten sicher Skepsis aufkommt, es bleibt ja jedem selber überlassen, was man davon annimmt.
Aus meiner Erfahrung mit Sterbenden kann ich allerdings bestätigen, dass viele von ihnen sich abgeholt gefühlt haben, dieser jemand war dann oft schon Tage vorher da und ich kann bestätigen, dass die Toten, die ich gesehen habe, einen entspannten Eindruck machten. Es ist ein Geschenk dabei sein zu dürfen, wenn jemand stirbt, ein Lebensereignis das fast noch intimer ist, als die Geburt.
So ganz gefällt mir der Gedanke allerdings nicht, dass jemand dabei sitzt um das Sterben wissenschaftlich zu beurteilen, auch wenn die Betroffenen hier im Vorfeld natürlich eingewilligt haben.
Über den Tod und das Leben danach
Elisabeth Kübler-Ross
Verlag Silberschnur
6. Auflage 1986
aus dem Englischen übersetzt von Tom Hockemeyer
ISBN 3-923781-02-4