
Das Buch handelt von den Erlebnissen Karl Roßmanns, der als 16-jähriger von seinen Eltern nach Amerika abgeschoben wird.
Das Buch beginnt mit dem Satz:
Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht.
Und schon bin ich neugierig, stellen sich die ersten Fragen. Wow, mit 16 alleine in die Welt, wie kann er sich das mit armen Eltern leisten? Vom Dienstmädchen verführt, ein frühreifes Bürschchen?
Wir erleben noch im gleichen Kapitel, dass er sich im Schiff auf der Suche nach einem vergessenen Regenschirm verirrt, seinen Koffer aus der Hand gibt (und zunächst nicht mehr wieder bekommt) und dabei eine neue Bekanntschaft macht mit einem Heizer des Schiffes. Zunächst erscheint er uns hilflos, aber im Zuge des Gesprächs mit dem Heizer doch auch erwachsen. Wir erfahren kurz etwas von seiner Unterbringung in einer Gemeinschaftskabine wo er grad nachts die wenigen Habseligkeiten in seinem Koffer bewachen musste und erleben ihn dann als mutig, als er vor dem Kapitän und anderen den Heizer, dem Unrecht geschehen ist, verteidigt.
Im selben Raum befindet sich zufällig sein Onkel Senator Edward Jakob, der durch die geschwängerte Dienstmagd per Brief erfahren hatte, dass sein Neffe mit diesem Schiff nach Amerkia unterwegs sei. Und nun erfahren wir auch aus den Gedanken Karls, dass er für diese keine Gefühle hatte und den Liebesakt beschreibt er so:
… horchte sein Herz ab, bot ihre Brust zum gleichen Abhorchen hin, wozu sie Karl aber nicht bringen konnte, drückte ihren nackten Bauch an seinen Leib, suchte mit der Hand, so widerlich, daß Karl Kopf und Hals aus dem Kissen herausschüttelte, zwischen seinen Beinen, stieß dann den Bauch einige Male gegen ihn – ihm war, als sei sie ein Teil seiner Selbst, und vielleicht aus diesem Grunde hatte ihn eine entsetzliche Hilfbedürftigkeit ergriffen. Weinend kam er endlich nach vielen Wiedersehenswünschen ihrerseits in sein Bett. Das war alles gewesen.
Aber dank dieses Briefes steht er jetzt nicht alleine in der Fremde, sondern kommt mit zu seinem Onkel (von dem er nichts wusste), erlebt nicht nur die neue Welt Amerika, sondern lebt nun statt in Armut in Wohlstand und er bemüht sich dem Onkel zu gefallen und lernt eifrig Englisch.
Im Hause des Onkels gewöhnte sich Karl bald an die neuen Verhältnisse. Der Onkel kam ihm aber auch in jeder Kleinigkeit freundlich entgegen, und niemals mußte Karl sich erst durch schlechte Erfahrungen belehren lassen, wie dies meist das erste Leben im Ausland so verbittert.
Er gewöhnt sich ein und sein Onkel nimmt ihn je besser sein Englisch wird immer mehr mit hinaus. Er lernt reiten und bekommt sogar ein Klavier.
Aber dann kommt der Tag an dem ein Geschäftsfreund des Onkels ihn auf sein Landgut einlädt und ihm seine Tochter vorstellen will.
Karl bat den Onkel sofort um die Erlaubnis, diese Einladung annehmen zu dürfen, und der Onkel gab auch scheinbar freudig diese Erlaubnis, ohne aber ein bestimmtes Datum zu nennen oder auch nur in Erwägung ziehen zu lassen, wie es Karl und Herr Pollunder (der Geschäftsfreund) erwartet hätten.
Schon am nächsten Tag will Herr Pollunder dann Nägel mit Köpfen machen und ihn mitnehmen. Obwohl der Onkel sachliche Einwände vorbringt, werden diese alle ausgeräumt und so fährt Karl schließlich los (für eine Nacht) ohne auch nur zu ahnen, wie sehr sich hierdurch sein Leben verändern wird.
Interessante, aber schwierige Lektüre
Ich habe es gerne gelesen und fand es spannend, aber habe ich es verstanden? Nein! Bis zum oben geschilderten Punkt schon, aber danach …
Auf dem Landgut wird es dann sehr seltsam. Karl gefällt es dort auf jeden Fall nicht und er möchte zurück zu seinem Onkel, was aber mit allen Mitteln verhindert wird. Kurz nach Mitternacht erhält er dann einen Brief vom Onkel, der zwar mit „Geliebter Neffe“ beginnt, aber in dem er ihn verstößt, weil er gegen seinen Willen auf das Landgut gefahren sei und in dem er ihn bittet, nie wieder Kontakt mit ihm aufzunehmen.
Zunächst bin ich mir sicher, dass das eine Intrige ist, die gegen ihn gesponnen wird, der Brief nicht wirklich vom Onkel kommt und eigentlich erwarte ich ein Happy End bei dem die beiden sich wieder in die Arme sinken, aber nein.
Karl macht sich also nun mitten in der Nacht in „eine beliebige Richtung“ zu Fuß auf den Weg (mit seinen alten Koffer und den Regenschirm vom Schiff hat der Onkel ihm mitgeschickt) bis zu einem Wirtshaus wo er in einem Zimmer mit einem Franzosen und einem Irländer übernachtet, die ihn dann überreden mit ihnen gemeinsam aufzubrechen. Später trennt er sich von diesen im Streit und landet als Liftboy (auch hier schüttel ich nur den Kopf wie diese Anstellung zu Stande kommt) in einem Hotel. Er macht seine Sache zunächst gut, aber durch den Iren wird er in eine Situation getrieben, die zu seiner Entlassung führt. Und es bleibt merkwürdig… Er entkommt zwar aus dem Hotel, wird als Diener mehr oder weniger gefangen gehalten, heuert dann in einem Theater an, ohne genau zu wissen was auf ihn zu kommt. Das Buch endet dann eigentlich mit der Fahrt dorthin, aber es gibt noch einen Anhang mit dem Kapitel „Fragmente“ wo wir wieder zu seiner Dienerzeit zurück kehren, ohne dass sich mir der Sinn hier erschließt.
Aber unser Karl ist eine spannende Persönlichkeit. Sehr selbständig, fleissig, gefällig, mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, mit vielen Verbesserungsideen und mit viel Mut sich gegen Unrecht zu wehren. Und so habe ich es gerne gelesen.
Kurt Tucholsky schreibt über dieses Buch:
Am schönsten an diesem Werk ist die tiefe Melancholie, die es durchzieht: hier ist der ganz seltene Fall, dass einer das Leben nicht versteht und Recht hat.
Ich formuliere es mal so um: Es ist ein schönes Werk, auch wenn ich es nicht verstehe ;-).
Nachträgliche Anmerkung
Inzwischen habe ich dann mal nach Interpretationen gesucht. Ok, das Buch ist unvollendet und den Verstoß des Onkels verstehen auch andere nicht.
Liebe Weissewolke,
Zu deinem Kommentar:
„Zunächst bin ich mir sicher, dass das eine Intrige ist, die gegen ihn gesponnen wird, der Brief nicht wirklich vom Onkel kommt und eigentlich erwarte ich ein Happy End bei dem die beiden sich wieder in die Arme sinken, aber nein.“
Ich denke, wenn das ein realistischer Roman wäre hättest du völlig Recht, ich hatte mir sogar eine
andere Intrige vorgestellt, wo nähmlich der Onkel die beiden Freunde benutzt um Karl auf billige Art wieder loszuwerden.
Ich denke aber die Sache ist komplizierter. Die Figuren haben eine realistische Basis, sind aber zum Teil auch durch Karls alpentraumische Weltvorstellungen geprägt. Woher weiss Delamarche, z. B., dass Karl unter Diebstahlverdacht aus dem Hotel entlassen wurde? Er war ja gar nicht dort. Robinson, der in der Nähe, aber beim Verhör nicht zugegen war, hat da eine ganz andere Interpretation.
Hallo Danik,
vielen Dank für deinen Kommentar :-). Und ja, über deine Intrigenidee hatte ich auch kurz nachgedacht.
Aber auch irgendwie schön, wenn ein Buch mal nicht so durchschaubar ist, Hauptsache, es hat uns unterhalten.
Ich wünsche dir noch viele schöne Leseerlebnisse
LG
Wolke